Legendär soll der Sprit in Südamerika sein. Legendär schlecht. Aus allen Ecken und Enden hört man, wie schwierig es sei, in Südamerika sauberen Diesel zu organisieren. „Dreckiger Diesel“ das hört sich erstmal schlimm an. Was es damit auf sich hat, das braucht erstmal ein bisschen Zeit, das herauszufinden, die guten von den richtigen Informationen zu trennen, die falschen von den wahren, die aktuellen von der veralteten. Hier der aktuelle Stand, wie wir ihn uns zusammengetragen haben.
Schlechter Sprit ungleich schlechter Sprit
Zwei Arten von schlechtem Sprit haben wir bei unseren Recherchen entdeckt. Die eine Variante, Verunreinigungen, ist relativ einfach zu erkennen, zu entdecken und zu beheben. Wenn man an einer beliebigen Dorftankstelle hält, dort, wo der Sprit aus dem verrosteten Ölfass gepumpt wird oder aus Benzinkanistern, da ist die Verunreinigung abzusehen. Da ist klar, dass Staub und Dreck und Metallteile, von mir aus auch Zigarettenkippen im Diesel schwimmen. Das sieht man, das erkennt man, das muss man nicht zwangsläufig tanken. Wenn es nun doch mal nicht anderes geht, dann helfen Milchfilterschläuche. Die filtern wenigstens den groben Dreck raus und der Tank bleibt verhältnismäßig sauber. Milchfilterschläuche gibt es im Landmaschinenhandel (bei Amazon oder beim Bauern um die Ecke). Und „gute“ Tankstellen, also moderne, halbwegs saubere Tankstellen gibt es inzwischen auch in Südamerika. Das ist alles gar nicht mehr so schlimm, wie manch einer weismachen möchte.
Die andere Variante des „schlechten Sprits“ betrifft den Schwefel-Anteil im Diesel. Gemessen wird der Schwefelanteil in ppm, parts per million. Also – vereinfacht ausgedrückt – wie viele Schwefelteile kommen auf eine Million Dieselteile. Die untenstehende Grafik der UNEP, dem Umweltschutzprogramm der vereinten Nationen, zeigt, wo es trüb im Sprit ist. Grundsätzlich ist das für ältere Fahrzeuge kein Problem, sonst würde in Südamerika kaum jemand mit einem Auto durch die Gegend fahren. Moderne Autos mit europäischer Abgasnorm – so wie unser Defender – würden aber zwangsläufig Probleme kriegen, wenn Dieselpartikelfilter (DPF) und Abgasrückführung (AGR) verrußen und um Säuberung bitten.
Unser konkretes Problem
Unser Defender, Baujahr 2014, ist mit Euro4 zugelassen. Dank Dieselpartikelfilter und Abgasrückführung ist der Dreck, der hinten aus dem Auspuff rauskommt, zwar sauberer, als bei älteren Modellen. Für die Panamericana-Reise ist das aber schlecht, wenn man ebendiesen schwefeligen Sprit bedenkt. Weil die Verbrennung nicht mehr sauber funktioniert und der ganze Dreck, der sich in Wohlgefallen auflösen sollte, im Partikelfilter kleben bleibt. So lange, bis der nicht mehr mag.
Jeder, nahezu jeder, den man fragt, hat einen guten Tipp parat. Der am häufigsten genannte: Kurz vor der Reise den DPF ausbauen und durch ein einfaches Rohr ersetzen. Mal abgesehen davon, dass man die Betriebserlaubnis für den Defender verliert, wenn der Partikelfilter auf einmal nicht mehr da ist, ergibt sich noch das Problem der Motorsteuerung. Die denkt dann nämlich, der DPF wäre kaputt und streikt. Bleibt also nur, den Dieselpartikelfilter aus der Motorsteuerung auszuprogrammieren. Und das ist gar nicht so einfach. Alldieweil das nicht jeder macht und es darüberhinaus bei der nächsten Inspektion bei der freundlichen Landy-Werkstatt erhebliche Probleme geben dürfte.
Bevor wir uns nun aber für den Ausbau entscheiden, wollten wir uns noch ein bisschen mehr umhören. Und da gab es viel, sehr viel zu hören. Nun, die meisten Tipps zum DPF und AGR kommen eh von Leuten, die sich in grauer Theorie bewegen. Unten in Südamerika waren die wenigsten mit aktuellen Baureihen.
Was der Südamerika-Experte sagt
Christian „Weindi“ Weinberger ist mit seinem Defender schon ein bisschen länger in Südamerika unterwegs und hat meine Frage nach seinen Erfahrungen so kommentiert:
Nach mehr als 2,5 Jahren in Südamerika kann ich dir folgendes sagen: Wenn es bei deinem Fahrzeug möglich ist das DPF auszubauen, mach es, es wird dir die Reise stark vereinfachen. Wenn du nur in Argentinien-Chile die Anden überquerst, wird es sich nicht so extrem auswirken, da du in diesem Fall nur kurzzeitig über 3200 Meter fährst, in Bolivien wirst du hunderte bis tausende Kilometer teils auf 4000 bis über 5000 Meter fahren, und da wird dir der DPF Probleme machen, weil er zu macht, das Freibrennen nicht mehr funktioniert. Du hast wenigstens noch Euro 5, Bei Euro 6 wird das Ganze noch komplizierter, weil man an diesen Fahrzeugen das Dieselpartikelfilter nicht mehr ausbauen und umprogrammieren kann, weil alles zu kompliziert vernetzt ist. Habe einen getroffen, der musste sein Fahrzeug (war ein Mercedes) zurück nach Europa verschiffen. Die europäische Motorelektronik wird auf maximal 3200 Meter programmiert, es gibt ja praktisch keine Straßen oberhalb von 3000 Meter in Europa. Baugleiche Fahrzeuge in Südamerika sind alle mit anderen Motoren bzw. anderen Programmierungen ausgestattet. Die Treibstoffqualität im Süden ist soweit ok. Halt immer schauen, das du an neuen großen, frequentierten Tankstellen tankst, damit kannst du Verunreinigungen durch rostige alte Tanks praktisch ausschließen, bei kleinen Dorftankstellen ists oft schlecht. Die schlechteste Dieselqualität hast du in Ecuador, dort ist er auch am Billigsten. In Peru bekommst du ausschließlich 5 %igen Biodiesel. In Brasilien, Argentinien und Uruguay gibt es 2 Dieselqualitäten, in den anderen Ländern nur einfachen LKW Diesel. Die Basisdiesel verfügen über keine oder wenig Additive, speziell so etwas wie bei uns der Winterdiesel ist hier unbekannt. Ich empfehle für die Berge von daheim 2-3 Liter Dieselfrostschutz mitzubringen, zb. Liqui Moli Fließ fit. Ist in Südamerika sehr schwer zu bekommen, wenn dann nur in Argentinien oder Chile, nachfragen bei einem Minen-Ausstatter zb. Normal beginnt Diesel in Südamerika ab minus 3 Grad zu versulzen. Ich kann es nicht bestätigen, da ich mit TD4 keine Erfahrung habe, aber ein Reisender mit TD4 hat mir gesagt, das der TD4 schneller Probleme bekommt, da die Durchlassöffnungen im Dieselfilter kleiner sein sollen als beim TD5. Einige Reisende die ich getroffen hab, haben zur Filterung des Kraftstoffes einen sogenannten SEPA Filter verbaut.“
Das hört sich schon ein bisschen entspannter an und lässt Hoffnung aufkeimen – wir sind ja nicht für den Rest unserer Tage in den Hochlagen der Anden unterwegs.
Was Landrover sagt
Um wirklich sicher zu gehen, habe ich kurzerhand Landrover eine Mail geschrieben und auch prompt eine Antwort bekommen. Landrover bietet unter dem Label Landrover Experience Reisen mit aktuellen Landrover-Modellen an, unter anderem auch in Bolivien und Peru. Auf die Erfahrungen und Technik auf diesen Touren habe ich in meiner Anfrage gebaut. Und der nette Landrover-Mann hat mir am Telefon sehr nett und ausführlich meine Fragen beantwortet. Das Gespräch lässt sich in dieser Aussage zusammenfassen:
„Wir nehmen (bei solchen Touren) keine Änderungen am Motor, am Dieselpartikelfilter, an der Abgasrückführung und der Motorsteuerung vor. Als einzige Maßnahme empfehlen unsere Techniker auf so einer Tour den Austausch des Kraftstofffilters in kürzeren Abständen vorzunehmen.“
Das ist die eine klare Aussage, die ich mir gewünscht hatte! Den Kraftstofffilter auszutauschen, dass geht relativ problemlos; das haben wir ja neulich gelernt. Was „kürzere Abstände“ sind, diese Info bekomme ich noch. Fazit: Unterm Strich sollten wir keine größeren Probleme erwarten dürfen, als in Europa. Und da hatte ich trotz vielfacher Vorhersage weder beim Freelander, noch beim Discovery welche. Beim Defender bisher auch nicht.
Dieselpartikelfilter und AGR – was wir jetzt tun
Unser Plan sieht jetzt wie folgt aus: Wir lassen den Dieselpartikelfilter dort, wo er ist. Wir bauen nichts aus und wir programmieren nichts um. Wir nehmen ein paar Kraftstofffilter als Ersatz mit und wechseln die je nach Land und Spritqualität mehr oder minder regelmäßig selbst aus. Und wir versuchen, ausschließlich den besten Diesel an den teuersten Tankstellen zu tanken.
Dafür haben wir einen Zusatztank eingebaut und fahren mit zwei Ersatzkanistern durch die Gegend. In der Summe führen wir 140 Liter Diesel mit uns herum. Das sollte für rund 1.000 Kilometer Strecke reichen. Und irgendwo auf dieser Strecke wird es schon eine „schöne“ Tankstelle geben. Im Umkehrschluss heißt das, dass wir an jeder „schönen“ Tankstelle tanken werden.
Und sollte es dann doch so kommen, wie Weindi oben schreibt, wenn der DPF voll ist uns sich nicht durch gleichmäßiges Fahren freibrennen lässt, dann müssen wir uns halt doch eine Werkstatt suchen.
Wir sind da guter Dinge und lassen uns jetzt einfach nicht mehr verrückt machen!
DPF – was wir tatsächlich taten
Update: Am Ende haben wir uns doch dafür entschieden, den DPF auszubauen und die Motorsteuerung umprogrammieren zu lassen. In Südamerika waren wir also ohne Dieselpartikelfilter unterwegs und heute können wir auch sagen, dass das eine gute Idee war. Oben in Peru, am Titicacasee, da hat der Motor schon ordentlich gekreucht und geflucht, auf dem Anden-Pass Paso de Agua Negra war die Motorleistung schon wirklich dürftig. Und wir haben mit einigen Reisenden gesprochen, die mit DPF unterwegs waren und entweder liegen geblieben sind oder es halt nicht in die hohen Höhen geschafft haben. Übrigens: Mit der Umprogrammierung haben wir uns auch ein kleines Leistungsupdate gegönnt. Und das alleine war die Mühen wert ;-)
Und nochwas: Im Vorfeld haben wir immer wieder über die schlechte Spritqualität gelesen. Von Diesel aus rostigen Fässern und verdrecktem Kraftstoff. Auch da wurden wir eines besseren belehrt: „Guter“ Kraftstoff ist in Südamerika inzwischen an nahezu jeder Ecke zu finden. Oft inzwischen auch mit „Euro Norm“ gekennzeichnet.