Schnee auf dem Paso de Agua Negra

Paso de Agua Negra

Der Paso de Agua Negra. Wenn man, so wie wir, eine Panamericana-Reise macht, meistens entlang des Straßennetzes, manchmal aber auch ein bisschen rechts und links über den Tellerrand schauend, dann plant man vorher, welche Orte man besuchen will, was man sehen möchte. Das Programm von Ushuaia bis Alaska ist stramm, es bleibt nicht die Zeit in Südamerika jeden Stein umzudrehen. Vieles, was in Reiseführern beschrieben steht, stellt sich hinterher eh als fauler Apfel heraus (so unser Paradebeispiel Gaiman).

Einer der Punkte, den wir auf keinen Fall auslassen wollten, ist der Paso de Agua Negra. Keine Sehenswürdigkeit im eigentlichen Sinn, sondern eine von vielen Möglichkeiten, die Anden zwischen Chile und Argentinien zu überqueren. Vor der Reise wussten wir nicht, dass die Anden-Pässe zu den Highlights unseres Trips gehören würden. Der Paso Tromen o Mamuil Malal zum Beispiel oder auch der Paso Roballos. Der Agua Negra war aber von Anfang an ein Muss.

Paso de Agua Negra – die schönste Verbindung in Südamerika

Irgendwann haben wir mal Bilder vom Pass im Internet gesehen: staubige Straßen, rote Berge und weiß-gelbe Eisfelder, die Büßerschneefelder. Es war ein bisschen Liebe auf den ersten Blick. Und wie das mit so einer Schockverliebung im Internet ist, man muss sich irgendwann Auge in Auge gegenüberstehen und sehen, ob es nur spontanes Aufflammen ist oder gar eine gludernde Lot, eine lodernde Glut.

Der Paso de Agua Negra verbindet Chile und Argentinien, irgendwo nördlich von Santiago de Chile. Er ist der höchste befahrbare Pass zwischen Chile und Argentinien und steigt an seinem Scheitelpunkt bis auf 4.778 Meter an. Wegen der hohen Höhe ist der Pass meistens nur von Dezember bis März geöffnet, manchmal auch nur im Januar und Februar. Immer dann, wenn es keinen Geröllabgang gab und wenn die Straße, die Schotterpiste auf chilenischer Seite überhaupt befahrbar ist.

Auf dem Weg nach Vicunja, unserem Ausgangspunkt für die Passüberquerung treffen wir Alex und Markus, die seit Monaten mit ihren Fahrrädern in Südamerika radeln. Zum Abschluss der Reise sind sie mit einem geliehenen Pickup unterwegs. Eigentlich wollen sie ins Pisco-Tal, entscheiden sich aber spontan um und fahren mit uns am nächsten Tag den Pass hinauf.

Im Mini-Konvoi fahren wir bis zur Grenzstation auf chilenischer Seite. Die Zöllnerin begrüßt uns mit einem freundlichen „Guten Morgen“, als sie unsere deutschen Pässe sieht. Ja, bestätigt sie, wir müssen nicht formell ausreisen, sondern dürfen einfach die Pässe hinterlegen. Nichts ist los am Grenzübergang. Weder in die eine Richtung, noch in die andere. Das war wohl die zweitschnellste Grenzabfertigung auf unserer Reise.

Off Road. Nicht unanstrengend.

Fünfzehn Kilometer geht die Straße asphaltiert hoch. Wir befinden uns auf knapp 2.000 Metern Höhe, noch mehr als weitere zweitausendfünfhundert liegen vor uns. Auf der argentinischen Seite ist die Straße bis hoch auf den Pass geteert, man kann schnell fahren und viel verpassen. Chile schickt sich an, weite Teile „seines“ Passes auch zu verdichten, wir freuen uns diebisch, dass wir noch auf Rippio und Schotter fahren können. Nicht, weil das so schön ist, nicht weil es nicht unanstrengend ist, einfach nur, weil es zu viel mehr Zeit und viel mehr Muße zwingt.

Geschafft …. wir sind auf 4.778 Meter über dem Meer

Muße, um alle paar Kilometer einen Zwischenstopp einzulegen und die Landschaft zu genießen. Noch ist der Weg gesäumt von Kakteen, das zarte Bergbächlein bringt an seinen Ufern Grün zum Wachsen, die Berge fangen an, sich zu verfärben. Erst sind sie grau-braun, dann schimmern sie ein bisschen rot. Je höher wir kommen, desto bunter werden sie. Mal gelb wie Safranreis, mal grün wie ein bemaltes Osterei. Ein See, der sich irgendwo im Nichts auf Bergpässen nährt, schimmert erst grün, dann in sagenhaftem blau und hinterher rot. Wir haben keine Ahnung, wie diese Farbe zustande kommt, aber der See ist irgendwann einfach richtig rot …

Der Anstieg wird steiler, die Straße schmaler und der Verkehr dichter. In unsere Richtung bewegt sich fast niemand, entgegen kommen uns unzählige Autos mit argentinischen Nummernschilder, alle im Urlaub, alle auf der Flucht vor der Hitze an die Pazifikküste. Nur ein paar Autos quälen sich mit uns zusammen die einspurige Passstraße hinauf. Und manche geben auch auf. Stau auf dem Weg. Irgendwo jenseits der Viertausend. Ich steige aus, will sehen, ob ich wie auf der Carretera Austral wieder jemanden mit der Seilwinde bergen muss, und lege einen kleinen Zwischenspurt ein. Markus kommt seltsam gemächlichen Schrittes hinter mir her. Und schon wir mir klar, warum. Höhenluft. Schon nach wenigen Schritten fehlt mir der Atem. Komplett. Die Lunge zieht sich zusammen, saugt den Sauerstoff ein, der Puls schnellt in die Höhe. Das ist das also. Langsam!

Höhenrausch dort oben

Der liegengebliebene Suzuki wird später abgeschleppt, wir setzen unseren Weg weiter fort, Kurve um Kurve, vorbei an den ersten Eisfeldern. Und jeder Fotostopp wird gemächlicher. Die Luft wird dünner, leichte Kopfschmerzen machen sich schon bemerkbar, als wir 180 Kilometer hinter Vicunja den höchsten Punkt erreichen. Wahnsinn, 4.778 Meter. Noch nie waren wir so hoch und wir bezweifeln, so schnell nochmal auf diese Höhe zu kommen. Wir sind vom Agua Negra restlos begeistert!

Der Wind pfeift ganz schön auf dieser Höhe und die Sonne brutzelt, wie sie kann. Eine kleine Brotzeit, ein Tomatensalat, ein Coca-Bonbon gegen den Höhenkoller. Mein Baseballcap weht der Wind davon und ich spurte hinterher. Mit bekanntem Erfolg. Zwar habe ich die Bemützung schnell wieder, dafür aber auch gleich einen ordentlichen Schwindel. Die Höhe, knapp fünftausend Meter, ist nicht zu unterschätzen. Und deswegen treten wir nach einer guten Stunde auch wieder den Rückweg an. Nicht den gleichen Weg zurück, sondern die andere Variante der einspurigen Passstraße. Und die hat es in sich.

Schnee und Eisfelder so hoch wie unser Auto. Fast zwei Meter ragen die Büßerschneefelder am Agua Negra in die Höhe, glitzern in der prallen Sonne, zeigen die Schönheit, Einzigartigkeit der Natur. Mich trifft es wie der Schlag. Das zu sehen, das live erleben zu können … Bilder zeigen nur einen Bruchteil der Wirklichkeit. Ich sehe viel mehr, als ich auf den Internet-Bildern gesehen habe, die uns erst hierher geführt haben.

Ich bin total geflasht. Höhenkrankheit? Sauerstoffmangel? Nachträglich ist mir egal warum. Ich bin so überwältigt von der Einzigartigkeit und Schönheit der Natur, vom Glück, das wirklich sehen zu können, dass ich von jetzt auf gleich heule wie ein Schlosshund. Bremsen, Warnblinker, Pause.

Das Glücksgefühl steigt in mir hoch wie das Thermometer in einem heißen Kochtopf. Tränen rinnen und ich bringe keine einziges Wort heraus. Schneuzen und heulen, dazwischen der Versuch, zu erklären. Es hilft nichts. Kilometer über Kilometer halten wir immer wieder an, ich heule, lache, weine, schweige. Ultimatives Glück!

Als wir viele Kilometer weiter einen kleinen Foto-Stopp einlegen, weiß Alex, wie es mir geht. Schön, dass sie dabei sein können, wenn ich das so erlebe, sagt sie. Schön, dass sie dabei sind, geteiltes Glück soll doppeltes sein, sagt man.

  1. Hallo tobias und michaela, seid ihr noch unterwegs in südamerika? Wir möchten fragen ob ihr auch erfahrungen habt mit dem camping in bolivien und peru? Und ebenfalls mit dem tanken vom diesel ( problem biodiesel ) ist euer fahrzeug euro 4 oder euro 5? Wir haben unseren camper mittlerweile in uruguay stationiert und planen im september 19 auf die reise richtung bolivien und peru. In 4 wochen möchten wir richtung süden starten, wieweit dass die zeit reicht um die schönheiten wie den paso de agua negra zu fahren werden wir sehen, je nach wetter und tagespensum das wir fahren, wir möchten ja nicht nur fahren, sondern auch etwas ansehen und geniessen. Die reisedauer von 4 wochen ist kurz, aber besser als keine reise. Vielen dank für eine antwort 7nd herzliche grüsse edith und robert

  2. Lieber Tobias; liebe Michaela,
    wir sind nun schon 4 Wochen wieder Zuhause. Gerade sitze ich an meinem Laptop und arbeite, da sehe ich eure Karte. Mal schauen was ihr so mach und wo ihr gerade so seit denke ich mir… Und dann entdecke ich den Eintrag unserer gemeinsamen Begegnung, wunderbar! Da weht mir doch gleich wieder der Wind um die Ohren und ich erinnere mich, wie lecker dein Tomatensalat da oben war. Unsere Begegnung war etwas ganz besonderes für mich und ich hoffe, dass ihr noch ganz viele weitere Schnöffmomente hattet/habt, die so eine Reise unvergesslich machen.
    Ein paar Tage nachdem wir wieder Zuhause waren sagte Markus: „Wann fahren wir eigentlich wieder los?“ Südamerika lässt uns nicht los, und wir werden bestimmt noch mal wieder hinfahren, vielleicht im Sommer 2018, wer weiß. Und vorher möchten wir euch natürlich wiedersehen, wenn ihr wieder da seid.
    Ganz herzliche Grüße, muchos abrazos y suerte.
    Alexandra

  3. Hallo Michaela, hallo Tobias,
    wir verfolgen seit kurzem Eure Tour und sind beim uns Einlesen hier auf Euren Websites.
    Wir haben zu Ende 2017 ähnliche Ideen zum umsetzen, wie Ihr es tut. Darüber später vielleicht mehr.
    Meine Frage, wo seit Ihr jetzt? Wenn ich lese am 22.1.2017 auf dem PASO DE AGUA NEGRA, ist das tagesaktuell?
    In welche Richtung seid Ihr hier unterwegs, nach Chile oder umgekehrt?
    Beste Grüsse aus dem Harz zu Euch in Chile oder wo Ihr gerade seid.
    Roland

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