Montevideo ist die erste Station auf unserer Reise entlang der Panamericana. Direkt nach der Ausschiffung von der Grande Angola haben wir uns in die Hauptstadt Uruguays gestürzt. Ein bisschen aufgeregt, dass es jetzt endlich losgeht und ziemlich neugierig auf Südamerika.
Auf das Mausoleum von General Artigas am Plaza Independencia, am wohl wichtigsten Platz des ganzen Landes, da kleben ein paar junge Leute eine große Timeline der Frauenrechte an die Marmorwand. In unserer Wahrnehmung hat Uruguay früher damit angefangen, Frauen auf die gleiche oder zumindest eine ähnliche Stufe zu stellen, wie die Rippenspender der Evolution, als jedes andere Land. Und so liberal Uruguay mit den Frauenrechten umgeht, so liberal zeigen sich das Land auch beim Umgang mit Cannabis. Das Rauchen ist schon länger erlaubt, als in manch anderen Staaten überhaupt bekannt ist, wie viel Spaß so ein Joint machen kann. Nicht ganz so schlimm wie in Amsterdam, aber beim Gang durch die hippen Viertel der Stadt ist man mehr oder minder permanent kontaktstoned – mitrauchen ist ganz einfach, einatmen reicht. Oder die Schwulen- und Lesbenszene. Seit Jahrzehnten anerkannt und mit so einem hohen Stellenwert, dass der Monat der Vielfalt im Staat verankert ist.
Montevideo, spiegelt wider, wie das Land sich fühlt. Mehr als drei Viertel der Einwohner Uruguays leben in der Hauptstadt und man kann an jeder Ecke fühlen, wie jung die Nation sich macht. Montevideo ist nicht so gezwungen „hipp“ wie Berlin, nicht so tradtionell verkopft wie München und nicht so gewollt fröhlich wie Köln. Man hat das Gefühl, dass das hier einfach so und einfach so richtig ist. Montevideo ist so gewaltig modern, ohne die eigene Geschichte zu vernachlässigen. Es ist so weltoffen, dass es mich an unweigerlich an Vancouver erinnert: Jeder ist willkommen und jeder darf und kann, was er will und was er ist.
Zu Fuss durch Montevideo oder mit dem Auto ums Karree
Die Altstadt mit der Fussgängerzone Sarandi ist schnell durchlaufen, die Wege auf der Landzunge sind kurz. Häuser, die an New Orleans erinnern, manchmal auch an Kuba, aber wunderschön anzuschauen. Solange, bis ein Investor sie für sich entdeckt. An den chic verfallenden Altbestand schliesst sich unmittelbar das neue Zentrum an mit Hochhäusern und Bürogebäuden, breiten Verkehrsadern und natürlich kommt dann auch irgendwann ein enorm grässliches Einkaufszentrum. Und zwischendrin immer wieder diese wunderschönen Art Deco-Bauten wie der Palacio Rinaldi und so manches einfache Wohnhaus. Architekturfans kommen hier voll auf ihre Kosten. Nicht umsonst nennt manch einer Montevideo die Art Deco-Hauptstadt von Südamerika.
Glücklich, wer zu Fuss unterwegs ist oder sich auskennt. Denn das Zentrum von Montevideo besteht fast ausnahmslos aus Einbahnstrassen, links abbiegen, weil sich da gerade ein Supermarkt findet, ist oft unmöglich. Stattdessen muss man einmal im Karree um die Ecken kurven. Gewöhnungsbedürftig sind auch ein bisschen die Ampeln, die sich immer auf der gegenüberliegenden Strassenseite befinden. Denkt man nicht dran, fährt man schon mal unvermittelt in eine Kreuzung hinein, während der Querverkehr schon Gas gibt. Aber eines muss man ihnen lassen, den montevideischen Autofahrern: gelassen sind sie. Angehupt hat uns keiner, auch wenn wir noch so durch die Strasse geschlichen sind.
Endlich wieder WLAN
Die erste Nacht nach der Schiffsreise haben wir im Hostel El Viajero verbracht, nachdem wir erstmal vergeblich um durch die ganze Stadt getigert sind. Die Adresse im aktuellen Reise Know How-Reiseführer ist schlicht und einfach verkehrt, das Hostel liegt in einem ganz anderen Stadtteil. Im Hostel endlich wieder schnelles WLAN, ein Skype-Call mit Mama, ein lokales Bier, das viel zu gut schmeckt und dann ab zur Markthalle zurück zum Hafen.
Die Markthalle ist bekannt für ihr gutes Fleisch. Vegetarier haben es hier schwer, wir freuen uns über ein sensationelles „Baby Beef“ und richtigen Tomatensalat mit Unmengen an Zwiebeln. Eine Flasche uruguayischen Sauvignon Blanc darf man hier natürlich nicht unterschlagen. Die Markthalle erinnert auch an Vancouver, wie „Grandville Island“. Nur, dass es Fleisch, statt Obst und Gemüse gibt. Wir sind uns einig: Wir haben noch nie ein besseres Steak gegessen. Wie soll Argentinien das noch toppen?
Die Nacht im Hostel ist laut und warm, die Party findet ohne uns statt. Langsam gewöhnen wir uns daran, unseren Tagesablauf nach der Sonne zu richten. Wir sind weit vor zehn Uhr im Bett. Das erweist sich letztlich auch als ganz praktisch, weil wir das Hostel am nächsten Tag wegen Doppelbelegung unseres Zimmers wieder verlassen müssen. Nicht schlimm, weil die Unplanbarkeit wahrscheinlich eh die meiste Zeit unserer Reise bestimmen wird. Wir entscheiden uns dafür, direkt nach Paraiso Suizo an der Ruta Interbalnearia aufzubrechen. Ein Campingplatz, betrieben von den beiden Schweizern Silvia und Heinz, die eigentlich nie einen Campingplatz in Uruguay aufmachen wollten. Aber das Leben kommt halt manchmal anders, als man denkt.
Einkaufen in Montevideo
Für uns heißt es „los geht’s“ und dazu gehört auch der Einkauf im Supermarkt, um den Kühlschrank mit einem Mindestmaß an Vorräten zu füllen. Ein bisschen Gemüse, Käse und Wein, Obst und Kaffee natürlich. Wir haben gelesen, dass die Lebenshaltungskosten in Uruguay annähernd europäisches Niveau erreichen. Dass es so (fast unverschämt) teuer ist, haben wir nicht erwartet. Fast nichts kostet weniger als 100 Pesos, umgerechnet etwas mehr als 3 Euro. Orangensaft: 105 Pesos, Parmesan: 845 Pesos, 6 Liter Trinkwasser: 185 Pesos, billiger Rotwein: 135 Pesos. Und zum Vergleich der gerade neu eingeführte Johnnie Walker-Index: 40 Euro. Zum Vergleich: Grande Angola vor Dakar: 20 Euro, vor Zarate: 16 Euro. Deutschland: 10,99 Euro. Für die Erstversorgung legen wir rund 85 Euro auf den Tresen, vermutlich hätten wir in Deutschland rund 45 Euro für den gesamten Einkauf bezahlt. Das strapaziert das Reisebudget enorm; genauso wie die Tankfüllung. 1,74 Euro für den Liter Premium-Diesel, mashallah.
Kleine Schweiz
Auf dem Weg nach Paraiso Suizo geht es vorbei an den armen und reichen Stadtvierteln von Montevideo, am architektonisch sensationellen Softitel, an unzähligen Kilometern Sandstrand mit Fussballfeldern und Football-Spielen, Tennis- und Golfplätzen. Sport spielt in Uruguay offensichtlich eine wichtige Rolle. Die Jogger entlang der Ramblas lassen sich kaum zählen. Nach über 70 Kilometern erreichen wir unser Ziel, ein Stück Schweiz in Uruguay. Zeit für uns, das Auto zu entstauben und reisefertig zu machen.
Mehr Bilder zu Montevideo gibt es im Bilderbuch Montevideo.